Aktuelles

Bei mehreren Erben ist auf Antrag ein gemeinschaftlicher Erbschein zu erteilen, der von jedem Erben gestellt werden darf, wobei darin die Erben und ihre Erbteile grundsätzlich anzugeben sind. Nach dem Gesetz ist die Angabe von Erbteilen nur dann nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Anteile in den Erbschein verzichten. In der Rechtsprechung ist dabei umstritten, ob hierfür der Antrag eines einzelnen Miterben auf Ausstellung eines quotenlosen Erbscheins ausreichend ist, ob alle in Betracht kommenden Miterben den Antrag stellen oder zumindest dem Verzicht auf die Quoten zustimmen müssen.

Im vorliegenden Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Bremen hatte ein Miterbe einen quotenlosen Erbschein mit der Begründung beantragt, dass die Erbquoten erst nach Aufklärung der Wertverhältnisse des Nachlasses sicher festgestellt werden könnten. Eine weitere Miterbin hat dem quotenlosen Erbschein widersprochen und selbst einen Antrag gestellt, der sie als Alleinerbin ausweist. Auch weitere Miterben haben dem quotenlosen Erbschein widersprochen.

Das Bremer OLG hat sich nunmehr einer Rechtsprechung der Münchener Kollegen aus dem Jahr 2019 angeschlossen (OLG München, Beschl. v. 10.07.2019 – 31 Wx 242/19), wonach der Antrag nur eines Miterben auf einen quotenlosen Erbschein voraussetzt, dass die übrigen Miterben dem Verzicht auf die Quoten zumindest zustimmen müssen. Da diese Rechtsprechung wiederum einer Entscheidung aus Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2019 – I-25 Wx 55/19) entgegensteht, wurde die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen.

Hinweis: Es ist nun hoffentlich am BGH, eine einheitliche Rechtsprechung zu beschließen, an der sich die Gerichte bei solchen Erbschaftsstreitigkeiten künftig orientieren können.


Quelle: OLG Bremen, Beschl. v. 28.10.2020 – 5 W 15/20

zum Thema:Erbrecht

Pflichtteilsberechtigte haben gegenüber den Erben einen Auskunftsanspruch, so dass diesen ermöglicht wird, sich Kenntnis zur Bemessung ihres Anspruchs zu verschaffen. Zu diesem Zweck kann die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangt werden. Welche Ermittlungen ein Notar zur Erstellung eines solchen Verzeichnisses anstellen muss und in welchem Maße er sich auf die Angaben der Erben verlassen darf, war Dreh- und Angelpunkt des folgenden Falls vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Das erstinstanzliche Landgericht (LG) kam bereits zu dem Ergebnis, dass das erstellte Nachlassverzeichnis nicht den Mindestanforderungen entsprach, da es offensichtlich unvollständig war. Es fehlten beispielsweise Angaben zum Güterstand des Erblassers und zu wertbildenden Faktoren von Vermögensgegenständen. Zu den unentgeltlichen Verfügungen des Erblassers fehlten ferner Angaben zu einzelnen Daten, an denen diese Verfügungen vorgenommen wurden. Bei Wertpapierdepots fehlten Angaben zu der depotführenden Bank sowie solche zum Inhalt des Depots. Aus diesem Grund kam das LG zum Ergebnis, dass der Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht erfüllt sei, weshalb auch nicht nur ein Anspruch auf Ergänzung einer bereits erteilten Auskunft bestand.

Dieser Bewertung schloss sich auch das OLG an. Das notarielle Nachlassverzeichnis solle eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten, als dies beispielsweise das private Verzeichnis der Erben erfülle. Aus diesem Grunde muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln sowie durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er dieses auch inhaltlich verantwortet. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

Hinweis: Ist ein Nachlassverzeichnis auch nur geringfügig unvollständig, besteht ein Anspruch auf Vervollständigung des bereits erteilten notariellen Nachlassverzeichnisses.


Quelle: OLG Celle, Urt. v. 29.10.2020 – 6 U 34/20

zum Thema:Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2020)

Wechselbezügliche Verfügungen von Todes wegen entfalten bei Ehegatten eine besondere Bindungswirkung. Wer deshalb zu Lebzeiten nichts anderes vereinbart, kann eine solche wechselseitige Verfügung nach dem Tod eines Ehegatten nicht nachträglich ändern – so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Bamberg (OLG).

Die Eheleute hatten hier ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben und ihren einzigen Sohn als Schlusserben eingesetzt haben. Das Testament enthielt darüber hinaus eine Klausel, in der sich die Ehegatten eine Änderung der Schlusserbeneinsetzung vorbehalten haben, sofern es durch den Sohn zu „familiären Zuwiderhandlungen“ kommen sollte. Dabei wurde ebenso betont, dass Erben außerhalb der Familie nicht in Betracht kommen sollten. Nachdem die Ehefrau vorverstorben war, errichtete der überlebende Ehemann ein weiteres notarielles Testament, in dem er seinen Sohn sowie seine eigene Lebensgefährtin, mit der er über mehrere Jahre ein außereheliches Verhältnis geführt hatte, zu Miterben einsetzte. In dem notariellen Testament ließ der Erblasser aufnehmen, dass er es als eine familiäre Zuwiderhandlung ansehen, dass sein Sohn ihn in den letzten zwei Jahren nur viermal besucht und sich auch sonst nicht um ihn gekümmert habe. Tatsächlich war das Verhältnis zwischen Vater und Sohn wohl insbesondere deshalb schlecht, weil der Vater die außereheliche Beziehung führte und der Sohn sich auf die Seite der Mutter gestellt hatte, die bis zu ihrem Tod sehr unter der Beziehung ihres Mannes gelitten habe.

Nachdem das Amtsgericht noch von einer familiären Zuwiderhandlung des Sohns ausgegangen war, entschied das OLG in bemerkenswerter Deutlichkeit, dass diese Einschätzung fehlerhaft war. Der Erblasser war an die wechselbezügliche Verfügung beider Ehegatten gebunden. Bei der Auslegung der Formulierung „familiäre Zuwiderhandlung“ komme es nur auf die übereinstimmende Intention beider Eheleute zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an. Die Verfehlungen des Sohns, wie sie von der Lebensgefährtin des Erblassers dargestellt werden, waren nach Ansicht des OLG jedoch offenkundig weit davon entfernt, was die Eheleute sich bei der Erstellung dieser Klausel vorgestellt hätten. Hierzu hätte es einer nachhaltigen und tiefgreifenden Beeinträchtigung des Familienfriedens bedurft. Dieser ist aber gerade nicht von dem Sohn des Erblassers, sondern vielmehr durch den Erblasser selbst durch das Führen einer außerehelichen Beziehung beeinträchtigt worden. Insoweit hat er sich mit der Neutestierung zugunsten seiner Lebenspartnerin deutlich über den Willen der vorverstorbenen Ehefrau hinweggesetzt.

Hinweis: Eheleute müssen sich bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments bei wechselbezüglichen Verfügungen darüber im Klaren sein, dass diese nach dem Tod eines Ehepartners nach wie vor bindend sind. Wollen die Eheleute sich die Möglichkeit offenhalten, auch nach dem Tod des Ehepartners nachträglich Änderungen vorzunehmen, muss dies ausdrücklich zu Lebzeiten vereinbart werden.


Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 09.10.2020 – 3 W 43/20

zum Thema:Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2020)

Wenn ein Leben in einer Patchworkfamilie nicht einfach ist, darf man auch davon ausgehen, dass es sich mit Erbschaftssachen hierbei nicht viel anders verhält. Im folgenden Fall des Oberlandesgerichts München (OLG) musste es sich jüngst mit der Auslegung eines Erbvertrags auseinandersetzen, in dem die Ehegatten ihre jeweils eigenen Kinder als Schlusserben eingesetzt hatten und bei denen ein Schlusserbe vorverstorben war.

Die Eheleute hatten sich in einem Ehe- und Erbvertrag wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten sollten die jeweiligen Kinder der Eheleute aus erster bzw. zweiter Ehe zu gleichen Teilen berücksichtigt werden. Die Eheleute verfügten zu Lebzeiten, dass Ersatzerben nicht bestimmt werden sollten. Die Tochter der Ehefrau ist dann jedoch ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorben. Die Erblasserin hatte dann in der Folgezeit mehrere notarielle Testamente errichtet und eine neue Bestimmung eines Alleinerben vorgenommen. Das OLG musste dabei die Frage klären, ob die Erblasserin durch die erbvertragliche Bindungswirkung an einer solchen Verfügung gehindert war.

Das vorinstanzliche Nachlassgericht war zunächst davon ausgegangen, dass es infolge des Wegfalls der Tochter der Erblasserin in Bezug auf deren Erbteil zu einer Anwachsung zugunsten der weiteren Erben gekommen sei. Insoweit unterliege auch dieser angewachsene Erbteil der Bindungswirkung des Erbvertrags. Diese Ansicht teilt das OLG jedoch nicht.

Zwar geht auch das Beschwerdegericht davon aus, dass eine Anwachsung durch den Wegfall der Tochter der Erblasserin zunächst eingetreten ist. Eine solche Anwachsung eines Erbteils fällt aber gerade nicht unter die Bindungswirkung des Erbvertrags. Bei der Auslegung einer solchen Vertragsgestaltung kommt das OLG zu dem Ergebnis, dass diese primär darauf gerichtet ist, dass der eine Ehepartner an seine Verfügung zugunsten der Abkömmlinge des anderen Ehepartners gebunden ist – nicht aber an seine Verfügung zugunsten des eigenen Kindes. Folgerichtig war die Erblasserin nicht daran gehindert, in Bezug auf den ihrer Tochter ursprünglich zugedachten Erbteil eine neue testamentarische Verfügung zu errichten.

Hinweis: Welche Bindungen sich aus Erbverträgen entfalten, ist für Laien nicht einfach zu überblicken. Damit der letzte Wille auch als solcher greift, sollte zur Sicherheit rechtzeitig eine Erbrechtsfachkraft hinzugezogen werden.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 05.11.2020 – 31 Wx 415/17

zum Thema:Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2020)

Testamente gelten zunächst einmal, bis sie widerrufen bzw. durch eine nachfolgende testamentarische Verfügung ersetzt werden. Problematisch kann es aber werden, wenn zwei aufeinanderfolgende Testamente vorliegen und das spätere keinen ausdrücklichen Widerruf des früheren Testaments enthält. Mit der sich hieraus ergebenden Auslegungsfrage musste sich das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) im Folgenden auseinandersetzen.

Die 2019 verstorbene Erblasserin hatte im Jahr 2011 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie ihren Lebensgefährten zum Alleinerben einsetzte. Weitere Verfügungen wurden nicht getroffen. Im Jahr 2012 erstellte die Erblasserin dann ein handschriftlich verfasstes Schriftstück, das mit der Überschrift „Mein Testament“ überschrieben war und in dem einzelne Vermögensgegenstände an verschiedene Personen vermacht wurden. Eine ausdrückliche Erbeinsetzung erfolgte nicht. Eine in diesem Schriftstück bedachte Person vertrat nun die Ansicht, dass sie durch die Zuwendung von Bargeld und Schmuck aufgrund der handschriftlich verfassten Verfügung zur Alleinerbin bestimmt worden sei.

Sowohl das Nachlassgericht als auch das OLG kamen zu der Auffassung, dass es sich bei dem handschriftlich verfassten Schriftstück nicht um einen Widerruf des notariellen Testaments aus dem Jahr 2011 gehandelt hat. Sofern – wie hier – kein ausdrücklicher Widerruf erfolgt ist, sieht das Gesetz vor, dass eine zeitlich frühere Anordnung nur dann als widerrufen gilt, wenn sie mit der nachfolgenden Anordnung in Widerspruch steht. Beide Testamente sind insoweit jeweils für sich auszulegen, um den jeweiligen Willen des Erblassers zu ermitteln. Erst wenn auf diese Weise festgestellt werden kann, dass sich die Anordnungen gegenseitig ausschließen, liegt ein Widerruf des früheren Testaments vor. Im konkreten Fall hatte das OLG angenommen, dass ein solcher Widerruf nicht vorliegt, weil das ursprüngliche Testament die Erbfolge bestimmt hat, während die zeitlich nachfolgende Verfügung Vermächtnisse und Auflagen enthielt, die sich insgesamt nicht wechselseitig ausschließen.

Hinweis: Beabsichtigt der Erblasser, eine einmal errichtete testamentarische Verfügung aufzuheben und durch eine neue Verfügung zu ersetzen, sollte dies in dem zeitlich nachfolgenden Testament ausdrücklich erklärt werden.


Quelle: Saarländisches OLG, Beschl. v. 07.09.2020 – 5 W 30/20

zum Thema:Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2020)